In zwei Tagen hatte eine Gruppe Blogger den Hochvogel nicht nur auf dem Grenzgänger umrundet, sondern ihn zum Sonnenaufgang erstiegen. Gedanken zu dem wahrlich alpinen Bloggertreffen von Erika Dürr, Autorin unseres Rother-Grenzgänger-Wanderführers:
Immer wieder die Frage im Kopf: Ist es eine gute Idee, diesen anspruchsvollen Wanderweg im Rahmen eines Bloggertreffens zu gehen? Gemessen an ihren Touren müssten die Blogger den Passagen gewachsen sein, fit sind sie sowieso, aber was, wenn ich mich nur bei einem einzigen täusche?
Am Ende hatte ich die Tour doch ausgewählt, wohl wissend, dass es wortwörtlich grenzwertig sein könnte. Das wussten auch die Teilnehmer. Andererseits waren unter den Bloggern einige Fachübungs- und Wanderleiter dabei und Touren von solchem Kaliber bleiben einfach im Gedächtnis. Es war ein Versuch wert!
Zum Hornbachjoch
Bereits nach dem ersten Aufstieg kam, was ich befürchtet hatte: »Da geh ich nicht weiter. Der Weg ist weg!« Bei genauerem Hinsehen war der Weg zwar da, aber erodiert. Etwas, das in dieser Höhe immer passieren kann, da können die Wegewarte noch so viel unterwegs sein. »Sollen wir es gemeinsam probieren?«. Keine Chance, der Teilnehmer hatte seine Entscheidung getroffen.
Es ist immer ein unschönes Gefühl, wenn eine Gruppe zerbricht und einer allein absteigt, aber andererseits waren wir alle erwachsene, bergerfahrene Leute und der Rückweg war allein gut machbar. Zu viert ging es weiter.
Zum Himmelecksattel
Wir kamen gut voran. Staunten über die mächtige Höfats mit ihren messerscharfen Graten, genossen bei wolkenlosem Himmel den spärlichen Schatten der unbewirtschafteten Wildenfeldhütte und quatschten uns zum Himmelecksattel hinauf.
Sollen wir auf den Schneck?
Abstecher zum Schneck
Der markante Doppelgipfel ist vom eigentlichen Grenzgänger aus ein spannender Abstecher. Zum Vorgipfel geht es zwar steil, aber nicht allzu schwer hinauf, wer den Hauptgipfel ersteigen will, muss auf Messers Schneide tanzen. Ein scharfer Grasgrat, der in steilen Fels übergeht. Oben eine Felsrippe, die man wagemutig stehend, oder mit den Händen am Schopf bewältigen kann.
Für die allermeisten ist daher am Vorgipfel Schluss. Die Motivation in unserer Gruppe war jedoch hoch. »Wenigstens auf den Vorgipfel!«. Ein weiterer Teilnehmer stoppte am Himmeleck, 1.500 Höhenmeter sind manchmal auch einfach genug, immerhin hatten wir noch ein gutes Stück zum Prinz Luitpold Haus vor uns.
Für den Rest ging es hinauf und für zwei der Gruppe tatsächlich auf den Hauptgipfel. Zitternde Knie, bedächtige Bewegungen, tiefes Atmen. Ja, das war grenzwertig... Und dann ein lauter, erleichterter Schrei. Gipfel! Wahres Abenteuer.
Sensationeller Service auf 1.800 hm
Inzwischen hatten uns Wolken eingehüllt und auch die Abendessenszeit am Prinz Luitpold Haus rückte näher. Wir verloren keine Zeit und machten uns an die letzte Passage. Runter, rüber, hoch. Klingt einfach, war dann aber nach so vielen Metern doch recht ein Kampf.
Mit 1.800 Höhenmeter im Aufstieg, 1.000 im Abstieg und 17 Kilometern in den Beinen erreichten wir erleichtert die Hüttenterrasse des großen Prinz Luitpold Hauses. Die Hütte war komplett ausgebucht, entsprechend gestresstes Personal erwarteten wir.
Nach dem ersten Kaltgetränk dann der perplexe Gedanke eines Bloggerkollegens: »Irgendwas stimmt hier doch nicht. Die ganzen Leute sind voll nett?!«. Er hatte Recht – trotz voller Terrasse und immer wieder ausfallendem Strom mitten im Abendservice war das gesamte Team unheimlich freundlich, effizient und professionell. Hatte ich jemals auf einer Hütte schon so guten Service erlebt?!
Der frühe Vogel
Allzu lang wurde der Abend für uns trotzdem nicht. Müdigkeit und die Vorahnung, was morgen kommen würde, trieb uns noch vor Hüttenruhe in die Kojen. Nur wenige Stunden später klingelte der Wecker. Wir schlichen uns im Vollmond aus der schlummernden Hütte und folgten im Licht unserer Stirnlampen dem Weg in Richtung Kreuzspitze. Trotz ultrahellen Stirnlampen verloren wir immer wieder den Weg im endlosen Geröllgewirr, erst im Klettersteig war der Pfad dann kaum verkennbar. Und plötzlich hörte ich über mir ein lautes »Poah!«. Ein weiteres »Wooooow!« folgte.
Gerade als ich durch die schmale Scharte am Grat schlüpfte, lag mir ein ähnlicher Ausruf auf der Zunge. Oida leck! Unter uns fiel das Gelände steil ab, vor uns erstreckte sich ein Meer aus Gipfeln und darüber glühte der Horizont in sattem Orange. Ja, für solche Ausblicke lohnt sich das frühe Aufstehen!
Im Sonnenaufgang zum Hochvogel
Weiter ging es in die Scharte, wo wir einen Teil der Ausrüstung deponierten. Es folgte der schottrige Aufstieg zum Hochvogel. Immer wieder mussten in leichter Kletterei Felsbänder überwunden werden, während hinter uns die aufgehende Sonne den Himmel erst in violett und später die Gipfel in leuchtendes Orange tauchte. Darüber ruhte der Vollmond. Was für eine Stimmung!
Etwas später schien auch uns endlich die Sonne ins Gesicht, das Gipfelkreuz war wenig später erreicht. Bevor der Blick jedoch auf das umliegende Bergpanorama fiel, folgte er zwangsläufig der Gravitation: Der mächtige Spalt, der inzwischen den Gipfel durchzieht, ist so tief, dass man sich kräftig nach vorne lehnen muss, um den Grund zu sehen. Irgendwann wird der Berg genau an dieser Stelle auseinanderbrechen, all das Gestein wird sich im Jochbachtal sammeln, durch das wir gestern noch gewandert waren. Wie es wohl klingen wird? Und wie viel vom Hochvogel dann übrig bleiben wird?
Wir genossen, staunten, lachten. Und ja, wir drückten uns vor dem, was nun kommen würde: 1.700 Höhenmeter im Abstieg. Erst zurück in die Scharte, über den Kalten Winkel, in dem immer noch Schnee lag, müßig im Geröll queren, am Fuchsensattel wieder hoch. Endlich wieder Sonne im Gesicht, aber immer noch rund 1.000 Höhenmeter vom Tal entfernt. Ach, wenn man doch Flügel hätte! Dachten zumindest drei von uns vier. Der vierte packte nämlich seinen Flügel aus, machte wenige Schritte und flog mit dem Gleitschirm auf und davon. Poah, purer Neid bei den Zurückgebliebenen.
Aber was hilft's? Angeregt plauschend ging auch noch die letzte Stunde rum. Unten wartete sowohl die Pilotin als auch Robert, der am Vortag umgedreht war. Ein sensationell gutes Mittagessen im Hotel Adler folgte, bevor die Gruppe sich in die verschiedenen Himmelsrichtungen verlor.
Das Grinsen hält noch Tage an. Was für ein Erlebnis!