Vom Glück auf dem GRENZGÄNGER

Es ist heiß. Es ist steil. Es ist nicht mehr weit. Eine Momentaufnahme während einer „heißen“ Wanderung von der Landsberger Hütte zum Prinz-Luitpold-Haus, aufgezeichnet von Erika Spengler.

Früh bin ich heute morgen gestartet, wusste, dass eine lange Etappe mit einem fordernden Finale warten würde. Von der Landsberger Hütte ging es auf bereits bekannten Pfaden ein kurzes Stück zurück in Richtung Schrecksee, der mir gestern alle Sinne geraubt hatte. Wie schön kann ein Bergsee nur sein? Egal in welchem Licht, wahrscheinlich gar egal bei welchem Wetter: Dieser See ist eindeutig ein Traumort. Ich bekam ihn auch heute noch einmal zu sehen, diesmal aus einer ganz anderen Perspektive. Mehr von oben, mehr aus der Ferne, aber immer noch genauso schön.

Danach ging es einige Kilometer nahezu ohne Höhenverlust entlang eines langen Bergkamms, der direkt zum Prinz-Luitpold-Haus führt. Langweilig wird es hier aber bei weitem nicht! Mal ein kurzes Stahlseil, dann wieder ein völlig neuer Blick. Gerade wenn es droht eintönig zu werden, wartet wieder eine kurze Versicherung, eine Bachquerung oder ein besonders schöner Blick ins Tal.

Dazwischen? Der Duft von warmen Latschenkiefern, ein freundlicher Gruß eines Wanderers. Der Weg war gerade eben genug, um die  Gedanken ziehen zu lassen, man läuft einfach. Kein Smartphone, keine To-Do-Liste. Nur Laufen.

Den protzigen Hochvogel hat man dabei immer vor Augen. Was für ein Berg. Ein dicker Klotz, ganz eindeutig nicht erwanderbar. Eindeutig? Meine Etappe übermorgen würde mich auf seinen Gipfel führen, angeblich auf einem nicht allzu anspruchsvollen Steig. Aber was ist schon anspruchsvoll?

Ich pilgere gedankenversunken vor mich hin, merke erst nicht, dass mein Weg eine Kurve beschreibt und langsam immer steiler wird. Ich hebe den Blick, erstarre einen Moment: Während die vergangenen sieben Kilometer ohne nennenswerten Auf- oder Abstieg verliefen, wartet jetzt eine Differenz von 400 Höhenmetern. Anfangs noch zahm auf gut angelegten Wanderwegen, werden die letzten wenigen Meter zur Herausforderung. Hier in diesem Kessel sammelt sich die Hitze, ich bin froh über den Wasservorrat, den ich mir beim letzten Bach noch aufgefüllt habe. Stoisch setze ich einen Fuß vor den anderen, die Mitwanderer um mich tun es ebenso. Einen. Schritt. Vor. Den. Anderen.

Ich schnaufe und schwitze, aber eigentlich ist es gut! Es gibt kein Grund zur Eile und ja, irgendwann kommt jeder an, denn so unüberwindbar ist diese Stufe nun doch nicht.

Eine letzte Querung führt hinauf aufs Joch, wo mich kühler Wind und eine sagenhafte Aussicht erwartet. Die gefalteten Wände des Wiedemerkopfes sind Schauspiel genug, zu allem Überfluss wartet dahinter die Höfats, der Felskamm des Hindelanger Klettersteigs und so! Viele! Gipfel! Es ist zu schön, um einfach weiterzugehen.

Jeder, der dem heißen Schlund entsteigt, bleibt andächtig stehen. Ab hier geht es nur noch bergab, es ist nicht mehr weit zum kühlenden See und zum verdienten Erfrischungsgetränk auf dem Prinz-Luitpold-Haus. Dem Ende der heutigen Etappe. Ich bin stolz als ich endlich auf die Terrasse der Hütte einlaufe. Die quirlige Kellnerin versorgt mich rasch mit munteren Worten und einem großartigen Kuchen.

Was für eine Etappe! Heute Morgen in der kühlen Morgenstimmung losgelaufen, dann stundenlang die Gedanken schweifen lassen, die Anstrengung zum Joch, die letzten Meter...