HOCHVOGEL - ein Selbstversuch

Ein imposanter, riesiger Felsklotz. Symmetrisch wie eine ägyptische Pyramide, erhaben wie kaum ein anderer Berg im Allgäu und in den Nordalpen: Der Hochvogel macht den Eindruck, als könne man ihn nicht auf normalen Wanderwegen erklimmen. Die Etappenbeschreibung des „Grenzgängers“ verspricht jedoch genau das. Ein Selbstversuch, aufgezeichnet von Erika Spengler.

Fast schon wundert man sich, dass hier in diesem hintersten Winkel des Lechtals die Uhren überhaupt die richtige "Welt"-Zeit anzeigen. Wie stehengeblieben wirkt die Welt hier. Ein kleines Dorf, durchzogen von einem wilden Bach, bewohnt von richtig netten Menschen, die zum größten Teil wohl schon immer hier gelebt haben.

Wir verließen diesen Ort als noch alles schlief, denn die Wettervorhersage hatte Gewitter für Nachmittags gemeldet. Im Dunkeln, nur mit Licht unserer Stirnlampen, folgten wir den Wegmarkierungen. Die ersten 1.000 Höhenmeter bis zum Sattel verliefen vorwiegend in Wald und Latschen, aber beim Gehen mit Stirnlampen verliert sich ohnehin alles um einen herum. In Gedanken versunken legten wir diesen ersten Teil zurück.

Obwohl ich eigentlich allein auf dieser Mehrtagestour unterwegs war, nahm ich das Angebot der zwei sympathischen Schwaben dankend an, diese anspruchsvolle Etappe gemeinsam anzupacken. Auch sie hatten Bedenken, ob sie dem Gipfel des Hochvogels wirklich gewachsen waren. „Sollte sich jemand unwohl fühlen, drehen wir um.“ - das war unser Credo. „Aber erstmal versuchen wir es!“

Pünktlich zum Sonnenaufgang legten wir unsere Frühstückspause am Ziel dieses ersten Teilstückes ein, während die ersten Strahlen den Gipfel des Hochvogels erreichten. Der von Felsstürzen geplagte Hochvogel präsentierte sich uns völlig friedlich. Vögel zwitscherten in der Morgendämmerung, die Luft war angenehm kühl.

Der „Kalte Winkel“: Imposant sah er aus, noch immer hatten wir Zweifel, wie man diesen Koloss mit Hilfe eines normalen Wanderwegs ersteigen können soll. Wir wollten keine Zeit verlieren und machten uns auf in Richtung „Kalter Winkel“. Ein ewiges Schneefeld wartet hier und stellt die Hochvogel-Aspiranten auf die erste Prüfung. Dank des Seils ging dieses Stück jedoch auch ohne Hilfsmittel wie Grödel oder Steigeisen ganz gut, die Schneedecke war nicht komplett gefroren und die Spur tief und gut. Die Steilheit sprach jedoch eine klare Sprache: Passen hier die Verhältnisse nicht, ist es Zeit umzukehren. Ein Ausrutscher würde wohl mit schweren Verletzungen im Geröllfeld enden.

Der Gipfelhang: Wir jedoch konnten ein Häkchen an dieser ersten Prüfung machen. Blieb nur noch eine! Von hier aus sah der Berg nicht mehr ganz so imposant aus, er glich eher einem großen Geröllfeld. Der Weg war bestens markiert und während wir uns auf das Steigen in diesem Steinwald konzentrierten, rückte das Gipfelkreuz immer näher.

Der Weg war tatsächlich nicht so schlimm, wie man ihn sich vorgestellt hatte! Natürlich braucht es eine gewisse Toleranz von Ausgesetztheit, denn es pfeift schon steil nach unten. Aber meist ist der Pfad so, dass man sich entweder festhalten kann oder die Stöcke einem gute Dienste erweisen. Während ich noch fasziniert davon war, wie so ein „Wanderweg“ auf solch einen Felsklotz führen kann, war es tatsächlich so weit: Es ging nicht mehr höher. Wir waren oben! Auf dem Gipfel des Hochvogels! Auf dem Gipfel dieses dicken Felsbrockens, bei dem ich zwei Tage zuvor noch ernsthaft Bedenken hatte, wie man hier als Wanderer hinaufkommen soll.

Die Beine waren müde, die Augen waren vom frühen Aufstehen müde, ein frischer Wind kühlte uns aus. Aber egal! Diese Aussicht! Endlos erschien sie, wir waren umgeben von einem Meer aus Gipfeln. Wie sie heißen? Ich weiß es nicht, für mich zählte nur der Name des Berges, auf dem wir gerade standen.

Wird der Hochvogel seine Form bewahren?